Professor Michael Sterner referiert im Klimadialog zur Energiewende

Speicher statt Trassen

Vortrag Sterner

Professor Sterner zeigt den aktuellen Energiemix: Erst ein Drittel ist erneuerbar.

Der Name scheint sein Auftrag zu sein: Als leuchtender Stern weist Energieexperte Sterner innovative Wege zur Bewahrung der Schöpfung. Klimaschutzmanager Georg Straßer begrüßte den Professor für Erneuerbare Energien von der Hochschule Regensburg im Stadtsaal der Volkshochschule als einen, der bei seiner konstruktiven Kritik zur Umsetzung der Energiewende gegenüber Regierungen kein Blatt vor den Mund nimmt. Sterner zeigte Chancen und Strategien auf, wie wir der Klimaerwärmung Einhalt gebieten können. Ein waches Publikum erlebte einen Abriss vom passenden Energiemix über Stromtrassen und Speicher bis hin zu Globalisierung und Flüchtlingsströmen.

 

Gerne hätte man sich an diesem Abend der Illusion hingegeben, dass sie floriert, die Energiewende in unserem Land. Dieses aber nur wegen der absoluten Überzeugung von deren Notwendigkeit, die der Referent ausstrahlte. Mit seinen Vorschlägen könnte man so einiges bewirken und beschleunigen, wenn die große Politik denn mitspielen und das Versprechen der Energiewende einlösen würde. Doch hier ist man im Kurs festgefahren: „Die haben immer nur Stromtrassen auf dem Schirm, aber keine Speicher“ kritisiert Sterner und untermauert seine favorisierte Lösung, Energie vor Ort zu erzeugen und zu speichern, mit Fakten. Er forscht an der Ostbayerischen Technischen Hochschule zu Speichertechnologien mit dem Schwerpunkt Power-to-Gas, einem chemischen Verfahren, das unter Einsatz von Ökostrom ein erneuerbares Gas erzeugt. Je nach Art der eingesetzten Energie wird das Gas auch Windgas oder Solargas genannt. Und dieses ist für einige Monate speicherbar, in unserem Gasnetz oder in unterirdischen Speichern, wie sie bereits für fossiles Erdgas bestehen. Nutzt man es in Gaskraftwerken, kann man bei Bedarf schnell Strom bereitstellen, der die fluktuierenden Quellen Wind und Fotovoltaik ausgleicht, somit könnte der Gesamtbedarf grossteils regional erzeugt und gedeckt werden. „Natürlich ist die Erzeugung von erneuerbarem Gas noch teuer, aber die Stromtrassen als Erdkabel sind es mit jetzt geschätzten zusätzlichen 15 Milliarden Euro auch“ tritt der Doktor-Ingenieur für seinen Ansatz ein und warnt vor dort unkalkulierbaren, explodierenden Kosten mit dem plakativen Vergleich: „Das ist ein Berliner Flughafen der Energiewende, keiner weiß, wieviel die Trassen am Ende kosten werden und wann sie fertig sind“. Auch der Verlauf dieser Stromleitungen, die vorwiegend der Aufrechterhaltung von Kohlestrom dienten, wäre unsinnig, denn der Endpunkt nahe Landshut wäre wegen der Entfernung zum Hauptstrombedarf in Schwaben und Oberbayern falsch geplant. Dazu erklärt der Energieexperte: „Hier wurde der Weg des geringsten – politischen - Widerstands gewählt, da die Bevölkerungsdichte im östlichen Bayern niedriger ist.“ Würde man diese finanziellen Mittel in die Entwicklung von Speichertechnologien stecken, wäre deren zügige Umsetzung möglich – und so manche Trasse überflüssig.

 

Regionale Wertschöpfung durch Energie-Communities

 

Dabei schließt der Referent Stromtrassen nicht gänzlich aus, nur die Vorgehenseise wäre falsch: Zuerst solle so viel wie möglich vor Ort erzeugt werden, dann transportiert. Als weiteren dezentralen Weg zur regionalen Unabhängigkeit schlägt Professor Sterner regionale Energieversorgungsgemeinschaften – sogenannte Energie-Communities – vor, als lokale Netzwerke, die den Strom in der Heimat selbst erzeugen und nutzen. Viele kleine und mittlere Anlagen, die Strom aus Sonne, Wind und Biomasse gewinnen, ergänzt um passende Speicher, könnten sich zu einer Erzeuger- und Abnahmegemeinschaft zusammenschließen. Da die Realisierung aber sowohl mit rechtlichen Hürden belegt ist als auch einer ausgefeilten technischen Abstimmung bedarf, bedürfe es eines lokalen Energieversorgers, der sich der Vernetzung annehme. Leider wäre der dezentrale Ansatz grundsätzlich vom Gesetzgeber nicht gewollt und nicht gefördert, es gäbe aber erste gesetzlich erlaubte Ansätze zur Direktvermarktung, die rasch ausgebaut werden müssten. „Richtig interessant wird dieser - auch Nachbarschaftsstrom genannte - Weg in ein paar Jahren, wenn immer mehr Erzeugeranlagen keine Vergütung mehr nach dem Erneuerbaren Energien Gesetz erhalten“ meint der Professor und verweist auf den Werbeslogan eines norddeutschen Bauern: „Eier, Milch und Strom von nebenan – vom Bauer Jan.“

Abschließend brachte Sterner eine ethische Komponente ein und machte den Zusammenhang von Klimaerwärmung und folglich künftig zu erwartenden Flüchtlingswellen deutlich: Schmelzendes Polareis erhöhe den Meeresspiegel und mache Küsten unbewohnbar, Dürrekatastrophen erzeugten Hunger. Beides münde in Flüchtlingswellen, deren Ausmaß die bisherigen um ein Vielfaches übertreffen würden, warnte der Professor und appellierte: „Wir sind alle verbunden, in dieser einen Welt. Lasst uns versuchen, für die Menschen weltweit Bedingungen zu schaffen, die ihnen ein Dasein in ihrer Heimat ermöglichen.“