Fossile Kunststoffe biobasiert ersetzen

Seit einigen Jahren sind biobasierte Kunststoffe langsam aber sicher auf dem Vormarsch. Sie können solche auf fossiler Basis ohne Einschränkungen ersetzen. Unterscheiden muss man zwischen Herkunft und der Abbaubarkeit in der Umwelt.

Biokunststoffe

Diplombiologe Nico Arbeck

 Der Vortrag im VHS-Regionaldialog der Stadt glänzte wieder mit fachlich fundiertem Wissen und pragmatischer Anwendbarkeit im Alltag, bei einem kritischen Publikum, das schon gut vorinformiert war. „Wir sind überall zunehmend mit Plastik konfrontiert“ eröffnete Nico Arbeck seinen Vortrag, „von der Kleidung über Möbel, Teppiche, Matratzen, Verpackungen, Formteile bis hin zu Microplastik in Wasch- und Reinigungsmitteln oder Arzneimitteln“. Er ist Fachberater bei C.A.R.M.E.N. e.V., einer Beratungseinrichtung des Kompetenzzentrums für Nachwachsende Rohstoffe (KoNaRo) in Straubing. „Annähernd die Hälfte aller jemals produzierten Kunststoffe wurden seit dem Jahr 2000 erzeugt, massenhaft und dadurch billig“, untermauerte der Referent seine Feststellung und sprach die These aus: „Wenn ein Stoff synthetisch mit Kohlenstoff hergestellt werden muss, dann sollte dieses Element nachwachsenden Ursprungs sein“, also nicht fossil, wie aus Erdöl, sondern von Pflanzen stammend. Der Grund: Fossiler Kohlenstoff ist über Jahrmillionen entstanden und seine Verwendung und Freisetzung belastet das Klima, erneuerbarer Kohlenstoff hingegen habe eine ausgeglichene Bilanz im Naturhaushalt.

Biobasiert oder biologisch abbaubar?

Grundsätzlich unterscheiden müsse man den Weg der Herkunft von dem der Entsorgung. „Biobasiert“ bedeute nicht zwangsläufig biologischen Landbau, sondern beziehe sich auf die Herkunft des Rohstoff vom Acker oder dem Wald: „Hier kann Erdöl durch Holz oder Stärke aus Mais, Kartoffeln und Getreide ersetzt werden oder durch Naturöle aus Lein und anderen Ölpflanzen, die alle möglichst heimisch sein sollten, um Transporte oder Raubbau zu vermeiden“ erklärte Arbeck. Das bedeute mengenmäßig keine Monokulturen, denn der Bedarf ist verhältnismäßig zu Nahrungs- und Futtermitteln gering. Als Beispiele für biobasierte Erzeugnisse nannte er Dinge des täglichen Bedarfs, wie Verpackungen, Flaschen und Becher, Frischhalteboxen, Büromaterial oder Baustoffe: Bei letzterem könnten vor allem Dämmstoffe, wie Styropor, durch einfache Naturstoffe, wie Holzweichfaser oder Stroh ersetzt werden, deren Herstellung zudem auch meist weit weniger Energie bedürfe. „Irgendwann ist fast alles biologisch abbaubar“ konstatierte der Biologe die aufmerksamen Zuhörer und schränkte ein: „Es ist aber eine Frage der Zeit“. Die sogenannte Persistenz liege bei den meisten Kunststoffen bei hundert und mehr Jahren. „Abbaubar“ wäre auch relativ zu betrachten, man müsse zwischen sichtbarer Zerkleinerung und der finalen „Verdauung“ über Mikroorganismen unterscheiden.

Chancen heute nutzen, nicht warten

Hier müsse man auch bei biobasierten Materialien aufpassen, da es auch unter diesen welche gibt, deren Abbaubarkeit länger dauern könne. Diese Eigenschaft, die von Kritikern – neben der angeblichen Konkurrenz zur Ernährung – gegen biobasierte Stoffe ins Feld geführt wird, wäre nach Ansicht von Arbeck kein hinreichendes Gegenargument zu deren Vorzüglichkeit. „Man darf nicht immer und überall warten, bis es die perfekte Lösung gibt und in der Zwischenzeit beim Alten bleiben, sondern muss alle Wege gehen, die weg von Kohle und Öl führen, auch wenn sie – noch – nicht perfekt sind,“ gab er seine langjährig gewonnene Meinung zur Nutzung von Nachwachsenden Rohstoffen wider, die er auch mit der Entwicklung der Elektromobilität bei Erneuerbaren Energien verglich: „Lieber heute machen, was praktisch geht, dann nachsteuern“.

Mehrfachnutzung vor Recyling

Der effektivste Ansatz für eine Eindämmung der Plastikflut liegt in deren Einschränkung im Alltag. Vor allem bei Verpackungen hat der Konsument eine große Bandbreite, angefangen bei „To-go-Produkten“, die zwar leicht händelbar sind, aber in Einwegverpackungen bezogen werden. Vieles könne man in großen Einheiten, einfach verpackt oder lose kaufen und zuhause portionieren. „Das Recyclingsystem in Deutschland funktioniert zwar, doch das wenigste ist tatsächlich recycelbar“ dämpfte der Experte die Hoffnung auf diesen Weg der Wiederverwertung über den sogenannten „Gelben Sack“. Zudem wären die Kunststoffe daraus meist minderwertig, weil zu heterogen, und für halbwegs anspruchsvolle Anwendungen nicht brauchbar. Das allermeiste lande in der Verbrennung, wo es zumindest noch Wärmeenergie erzeuge – besser als es zu deponieren – doch das wäre nicht zufrieden stellend in Bezug auf den wertvollen Rohstoff Öl, der nur endlich zur Verfügung stehe. Hier schloss sich der Kreis zur Hinführung von Regionalmanager Straßer, der mehrfache Verwendung vor allem von Verpackungen und Behältnissen plädierte und das von der Bundesregierung angekündigte Verbot von konventionellen Plastiktüten im Handel als einen wichtigen Schritt lobte. Schade wäre, dass die sogenannten „Hemdchentüten“ für Obst und Gemüse vom Verbot ausgenommen seien. „Könnte man die nicht durch solche aus Maisstärke ersetzen?“, fragte er den Gastreferenten. In Österreich würde das praktiziert, samt nachfolgender Nutzung der Beutel für den Biomüll. „Und das funktioniert auch“, wusste Nico Arbeck von einem Besuch dort und kam um eine Feststellung nicht umhin: „Wie so oft, ist unser Nachbarland Vorreiter in der pragmatischen Vorgehensweise, während hierzulande die Bürokratie und Bedenkenträger das Sinnvolle und Nützliche zu behindern wissen.“